Ausstellung „Vom Scheitern eines anberaumten Massenmordes – Bulgarien 1934-1944:

Ein Beispiel gelungener Humanität – konstruktiv und inspirierend

„Gerade jetzt ist es uns in der Katholischen Jugendfürsorge wichtig, ein Zeichen gegen Rechtsradikalismus und Antisemitismus zu setzen“, erklärt der Direktor der Katholischen Jugendfürsorge Michael Eibl das Anliegen, das sich für ihn mit der Ausstellung „Vom Scheitern eines anberaumten Massenmordes – Bulgarien 1934-1944“ verbindet. Sie ist Teil einer Initiative, für die sich die KJF stark macht. Es geht um nicht weniger als Humanität. So zeigt die Ausstellung, dass Mut zur Mit-Menschlichkeit eine unglaubliche Kraft entfaltet, die Menschenleben rettet.

Ein Hoffnungszeichen

In der Galerie St. Klara in Regensburg wird die Ausstellung „Vom Scheitern eines anberaumten Massenmordes - Bulgarien 1934-1944“ vom 8. bis zum 26. September 2021 zum ersten Mal gezeigt. Michael Eibl und Dr. Maria Baumann, Leiterin der Kunstsammlungen des Bistums Regensburg haben sie zur Premiere nach Regensburg geholt. Schirmherrin ist die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Regensburg, Ilse Danziger. Als drittes Teilprojekt der Reihe „Topographien der Menschlichkeit“ des Vereins Courage gegen Fremdenhass e. V. realisiert, thematisiert die Ausstellung den Rettungswiderstand in Bulgarien, bei dem die altbulgarische Zivilgesellschaft jegliche Deportationen jüdischer Bulgaren und ausländischer Juden in deutsche Vernichtungslager in Polen verhindert. Für die Premiere wünscht sich Anna Tüne, Schriftstellerin und Kulturmanagerin aus Berlin und Mitglied bei Courage gegen Fremdenhass e. V., „dass sie aufgenommen wird als ein Hoffnungszeichen, unter den vielen, die wir vorhaben auszugraben.“

Demokratische Best-Practise-Beispiele

Anna Tüne hat seit der Gründung von Courage gegen Fremdenhass e. V. im Jahr 1990 mit ihren Kolleginnen und Kollegen in unterschiedlichen Projekten auf die zunehmende Zahl ausländerfeindlicher Übergriffen reagiert. „Wir haben im Zuge unserer Arbeit festgestellt, dass es notwendig wäre, positive Beispiele aus Vergangenheit und Gegenwart in das öffentliche Bewusstsein zu bringen, weil es solche Beispiele gelungener Humanität sind, die konstruktiv und inspirierend sind.“ In der Reihe „Topographien der Menschlichkeit“ sammeln sie jeweils in einer Ausstellung mit Begleitbuch demokratische Best-Practice-Beispiele.

Anna Tüne ist Herausgeberin des Begleitbuches zur Ausstellung, das umfänglich die Vorgeschichte und Abläufe des Widerstandes in Bulgarien aufzeigt, bei dem die jüdische Gemeinschaft Alt-Bulgariens gerettet werden konnte. Gemeinsam mit Ilse Danziger, die das Grußwort zur Ausstellung sprechen wird, und KJF-Direktor Michael Eibl führt sie bei der Ausstellungseröffnung in das Thema ein. Die Kunstsammlungen des Bistums Regensburg unter Leitung von Dr. Maria Baumann und die KJF Regensburg haben die Ausstellung nach Regensburg gebracht.

Gewidmet der Fähigkeit, sich auf die richtige Seite zu stellen

Es sei oft nicht bekannt, dass Nazi-Deutschland mit vielen anderen autoritären Staaten verbündet war, die sowohl dessen Vernichtungspolitik proaktiv unterstützt haben als auch mit Truppen an seinen Kriegszügen beteiligt waren. Bulgarien gehörte zu diesen mit dem Nazireich verbündeten Ländern und ihre Führung beteiligte sich willentlich und wissentlich an den Vernichtungsplänen. Anna Tüne erzählt vom Wehrmachts-Überfall auf Griechenland und Jugoslawien, welche die Annexionen von Thrakien und Makedonien möglich machten und in deren Zuge die bulgarischen Behörden die Deportation aller dortigen Juden organisierte. Dies sollte, so Tüne, auch im bulgarischen Kernreich umgesetzt werden. Jedoch: „Es ist an der klugen und nicht nachlassenden Rettungsarbeit weitester Kreise des bulgarischen Volkes aller Schichten schlichtweg gescheitert. Aus Kern-Bulgarien gab es keine Deportationen, sie sind alle, manche in letzter Minute, verhindert worden. In Bulgarien sind auch Juden in dieser Zeit gestorben, doch das geschah dann, weil sie aktiv am Widerstand beteiligt waren.“

Die Ausstellung zeigt Fotodokumente aus dieser Zeit, Portraits von wichtigen Handelnden und Zeichnungen und Gemälde des jüdischen Malers Marco Behar. Die Botschaft: Jede und jeder ist aufgerufen nach zur Verfügung stehenden Mitteln, mitmenschlich und solidarisch zu handeln. „Marco Behar bringt die suggestive Kraft des Kunstwerkes in die Ausstellung, fokussiert so den Blick aufs Wesentliche, führt manches vor Augen, von dem es keine dokumentarischen Bilder gibt und die doch Realität gewesen sind“, erklärt Anna Tüne.

Die Ausstellung ist der Fähigkeit der Menschen gewidmet, sich auf die richtige Seite zu stellen – auf die Seite der Geschwisterlichkeit aller Menschen. Doch wie gelingt das? Anna Tüne sieht es so: „Es ist eines der großen Rätsel, was Menschen dazu bringt, das ‚Richtige‘ zu tun. Ich glaube, es ist vor allem der Selbstrespekt, der dazu führen kann: man will sich im Spiegel ohne Scham anschauen wollen. Wenn man diese Frage behandelt wie eine Sünde, eine Schuld, die sich über Generationen vererbt, dann trägt man genau dazu bei, dass sich die Menschen von solchen Themen abwenden. Wir sollten nicht vergessen: seit der Aufklärung ist Schuld etwas, das nur den individuellen Taten zugerechnet wird. Kollektive Schuld gibt es nur, wenn sie im Rahmen einer sich ausdrücklich zu kriminellen Zielen bekennenden Vereinigung geschieht.“

Ob Anna Tüne angesichts der Spannungen in unserer Gesellschaft noch zuversichtlich ist? „Nun ja, meine Generation hat es sowohl zeitlich als örtlich sehr gut gehabt, das ist wahr“, sagt sie, „wenn eine zunehmende Zahl von Menschen erkennt, dass es zu grundlegenden Veränderungen kommen muss, kann es gut gehen. Das würde bedeuten, dass wir weitgehende Änderungen unserer Lebensstile nicht nur in Frage stellen, sondern auch proaktiv umsetzen. Wie gerne man von Krise spricht: dabei sagt das Wort aus, dass man danach wie ehedem weitermachen kann. Wir sind nicht in einer Krise, sondern wir stehen vor einer grundlegenden Weggabelung. So wie es war, wird es nicht mehr, warum nicht auch konstruktiv und neugierig in diese neue Zeit hineingehen. Den Kindern und Kindeskindern schulden wir dies allemal.“

Vernissage zur Ausstellung am 8. September 2021 um 19:00 und 20:00 Uhr. Bitte melden Sie sich zur Vernissage vorab an unter: kunst@galerie-st-klara.de oder Telefon: 0941 79887-171. Öffnungszeiten der Ausstellung: Sonntage 12./19./26. September 2021 jeweils von 14:00 bis 18:00 Uhr. An den Sonntagen ist keine Anmeldung erforderlich; es gelten die allgemein bekannten Hygieneregeln.

Text: Christine Allgeyer